Elisabeth Bakambamba Tambwes Sprache einer Kunst der Liebe

Die Wiener Performancekünstlerin präsentiert im Wiener Theater am Werk zwei Stücke zur ergreifendsten Leidenschaft der Menschheit.

Sehnsüchtiger geht es kaum. Mit Unchained Melody aus den 1950ern, geschmachtet von den Righteous Brothers, startet Beyond the Overflow, eine Performance der kongolesisch-französischen Wienerin Elisabeth Bakambamba Tambwe, im Wiener Theater am Werk bei der Tscherttegasse. Doch beim Herzschmerz bleibt es in dieser turbulenten Show mit Videos, Getränken, Poledance, Liebeskunst und in fantasievollen Kostümen, in die bemerkenswerte Performerinnen und Tänzer gehüllt sind, keineswegs. Denn da wuchern auch reichlich kritische Mono- und Dialoge.

Die Bühne zeigt eine Art Club, und das Publikum ist teils mittendrin. Ein Darsteller, Typ Jesus Christ Superstar, torkelt mit einem Strauß roter Rosen umher. Der Südafrikaner Lukhanyo Bele mimt eine Figur, die vorgibt, unter Hitze zu leiden, obwohl der Mann kein bisschen schwitzt. Richtig heiß hingegen ist die Partie im Club, deren Mama Tambwe selbst spielt. Zu den Gästen zählen Leute, die von « Sexarbeit » leben und sich den Ausführungen im Stück zufolge hier in die Gefilde der Kunst eingeladen fühlen dürfen: Bei Beyond the Overflow wird ihnen Anteilnahme gewährt. So ruft Tambwe in Erinnerung, dass unsere sogenannte Dienstleistungsgesellschaft gerade auf dem Gebiet körperlicher Intimität ein brutaler Markt ist, auf dem Ausbeutung und Missbrauch herrschen.

Unschätzbarer Wert

Die Performance legt nahe, dass der Begriff Sexarbeit dem damit bezeichneten Beruf und jenen, die ihn ausüben, nicht gerecht wird. Also werden die Gäste als Liebeskünstlerinnen vorgestellt, deren unschätzbarer Wert endlich anerkannt werden muss. Mit Temperament, Warmherzigkeit und einem undogmatischen ethischen Kompass schafft Tambwe zarte Bande zwischen Bühnen- und Liebeskunst. Insgesamt zeigt Beyond the Overflow, wie unter der scheinliberalen Oberfläche unserer Demokratie unbewältigte soziale und weltanschauliche Konflikte Diskriminierung und Leid verursachen. Inspiriert ist diese Performance – sie war bereits einmal als Nachttermin bei Impulstanz 2023 zu sehen – von dem Buch Fragmente einer Sprache der Liebe (1977) des französischen Philosophen Roland Barthes.

Das Buch steht auch hinter einer weiteren Arbeit, die Tambwe bald im Theater am Werk zeigt: Speech of Love: Absence (erstmals gezeigt 2022 im Wuk). Hier geht es darum, dass man sich auch von der Liebe verabschieden kann, um die Kontrolle über sein oder ihr Leben zu behalten. Leidenschaftlich Liebende, so Tambwe, können « inmitten eines Paradoxons, in einer permanenten Verzerrung von Zeit und Raum, in der vor allem die Abwesenheit des geliebten Menschen lebensentscheidend wird », schwimmen. Barthes nennt diese Abwesenheit « Figur der Entbehrung ».

Der dritte Teil dieser Trilogie zu den « Fragmenten der Liebe » mit dem Titel SelFist wird im Sommer als Teil des Programms von Impulstanz und nächstes Jahr im Theater am Werk aufgeführt. (Helmut Ploebst, 31.1.2025)